Bauzentrum_2022_03

BAUZENTRUM E-BAU 3 | 2022 46 Verbandsnachrichten als das Doppelte als für Onshore-Windparks und beinahe dreimal so lange wie für PV-An- lagen. Da die kumulierte Erzeugungsleistung der neu ans Netz angeschlossenen Anlagen die Einspeiseleistung der Verteilnetze wegen ihres verzögerten Ausbaus deutlich überstiegen, müssten die EE-Betreiber über Jahre hinweg während der Sommermonate nicht nur mit Spitzenkappungen, sondern gar mit einer Ein- speise-Abregelung bis auf null und Redispatch rechnen – Energie, die schlicht verloren gehe! An die Politik richtete Kleedörfer den dringen- den Appell, zugunsten der Stromverteilnetze im Rahmen der EnWG-Novellierung nachzu- bessern, damit der Ausbau lastnah und unter Berücksichtigung vorhandener Aufnahmeka- pazitäten erfolgen könne. Er lenkte ferner die Probleme bei der Refinanzierung der Netze in den Blick, die mit der letzten Festsetzung der Eigenkapitalverzinsung noch prekärer geworden sei und forderte von der Politik, Investitionszuschüsse sowie die Regulierung der Netzgewinne an die stark ansteigenden Preise für Material und Dienstleistungen anzupassen, um den für die EE-Ausbauziele erforderlichen Ausbau der Stromverteilnetze zu gewährleisten. Dr. Hartmut Kahl, Leiter des Forschungsge- bietes Recht der erneuerbaren Energien und Energiewirtschaft der Stiftung Umweltener- gierecht, widmete sich in seinem Referat dem Rechtsrahmen der Verteilnetze und stellte diesen der Ausbaudynamik der Erneuerbaren Energien gegenüber. Als zentrales Problem kennzeichnete er die juristische Synchroni- sierung des Netzanschlusses mit dem Net- zausbau im Erneuerbare-Energien-Gesetz (vgl. EEG §8 Abs 1 und §12 Abs. 1), obwohl der zeitliche Gleichlauf zwischen Netzausbau und Netzanschluss realiter nicht existiere. Dieses Missverhältnis schlage sich auch in der Rechtsprechung nieder. Der Bundesgerichts- hof etwa halte in einem Urteil dem Entschä- digungsanspruch bei Einspeisekopplung oder -abregelung von EE-Anlagen aus Gründen des Netzausbaus entgegen, dass die technische Einspeisemöglichkeit vor der Inbetriebnah- me der Wind- oder PV-Anlage als Voraus- setzung gegeben sein müsse. Das OLG Bran- denburg habe dem Betreiber einer EE-Anlage nach einem Rechtspruch aus dem Jahre 2017 den Anspruch auf Entschädigung gar we- gen „verfrühter Inbetriebnahme“ verwehrt. Um die Unsicherheiten für EE-Anlagenbe- treiber vor Dauerdrosselung und der damit verbundenen juristischen Unsicherheit über den Entschädigungsanspruch auszuräumen, schlug er vor, den Netz- und EE-Ausbau etwa durch mehr Vorsorge in der Planung zu syn- chronisieren und Prognosen stärker einzu- beziehen, vor allem weil es gar nicht „zu viel Netz“ geben könne. Daneben rückte er zur Behebung und künftigen Vermeidung von Netzengpässen die Hebung von Flexi- bilitäten in den Blick und erinnerte an die dringend erforderliche Digitalisierung in der Datenerhebung und -übermittlung. Ulrich Geis, Geschäftsführer der Energieal- lianz Bayern, führte mit einer Modellrech- nung für Bayern die immense Dimension der Energiewende vor Augen. Die bis 2030 erforderlichen 215 GW Erzeugungskapazi- tät entsprächen einer jährlichen Zubaurate von 22 GW, von denen auf Bayern 6 GW entfielen. Zur Veranschaulichung rechne- te Geis die abstrakten Zahlen in eingängige Einheiten um und deklinierte aus, dass für eine bis 2040 klimaneutrale Energiebilanz in Bayern die wöchentliche Installation von PV-Anlagen auf einer Freifläche von 160 Fußballfeldern sowie von zusätzlichen An- lagen auf einer Gesamtdachfläche von 1000 Wohnhäusern erforderlich sei. Des Weiteren seien für die Einhaltung der Klimaziele die energetische Sanierung von 1250 Wohnhäu- sern, die Errichtung eines Umspannwerkes, die Inbetriebnahme von drei Elektrolyseu- ren (Gesamtleistung von 5 MW) und zwei Windkraftanlagen (Gesamtleistung 5 MW), die Umrüstung tausender fossiler Heizungs- anlagen und die Installation von jeweils drei Großbatteriespeichern (mit insg. 15 MWh) nötig – und dies alles wöchentlich! Doch trotz der kaum bezwingbaren Herausforde- rungen, vor die die Gesellschaft mit der Ener- giewende gestellt sei, bekannte sich Geis zu ihrer Notwendigkeit und Unausweichlichkeit und zog das Fazit, dass nur hohe Ziele die Transformation einleiten würden. Lars Reimann, Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik beim Handelsverband Deutschland e.V., lenkte in seinem Ab- schlussvortrag die Aufmerksamkeit auf die Herausforderungen für den Einzelhandel, die aus dem Gesetz zum Aufbau einer ge- bäudeintegrierten Lade- und Leitungsinf- rastruktur für die Elektromobilität (GEIG) resultierten und die er mit einem jährlichen Zubau von etwa 8000 Ladepunkten und ent- sprechenden Anschlüssen ans Verteilnetz an den ca. 2 Mio. Stellplätzen seiner Verkaufs- stellen sowie dem Bau und Netzanschluss von mind. 2000 PV-Anlagen pro Jahr be- zifferte. Doch werde der Einzelhandel mit seinen ambitionierten Installationszielen durch den Netzanschluss, insbesondere der Errechnung des jeweiligen Aufnahmepoten- zials, den schleppenden Antragsverfahren und den technischen Anschlussbedingun- gen einschließlich kurioser Vorgaben der etwaigen Zählerschränke erheblich zu- rückgeworfen. Gerade der Netzanschluss erfolge so schleppend, dass reihenweise Nulleinspeiser installiert würden, um den zermürbenden Prozess zu umgehen. In der sich anschließenden Diskussion mit Dr. Lukas Köhler, stellvertretender Vorsit- zender der FDP-Fraktion, und Dr. Andreas Lenz aus der CDU/CSU-Bundestagsfrak- tion zeigten sich beide Abgeordnete offen dafür, die diffizilen Anschlussregelungen zu vereinfachen. Mit Blick auf die allseits geforderte Beschleunigung und Vereinfa- chung der Planungs- und Genehmigungs- verfahren gab Köhler zu bedenken, dass jedes Einzelelement im Verfahrensprozess eine Schutzfunktion erfülle und deshalb Anträge und Genehmigungen nicht pau- schal verschlankt werden könnten. Auf Frau Dr. Nietfelds Nachfrage, ob man sich dann nicht den Zielkonflikten stellen und ggf. ab- wägen müsse, welche der Schutzfunktionen höher zu gewichten sei, stimmte er ihr zu. Auch verwies er darauf, dass etwa die be- schleunigte Genehmigung des schwimmen- den LNG-Terminals durchaus als Blaupause bezüglich der angestrebten Vereinfachung der Planungs- und Genehmigungsverfahren für Anlagen- und Infrastrukturprojekte die- nen könne. Pressemitteilung des Forum für Zukunftsenergien vom24.05.2022 Über das Forum für Zukunftsenergien e.V. Das Forum für Zukunftsenergien engagiert sich als einzige branchenneutrale und parteipolitisch unabhängige Institution der Energiewirtschaft im vorparlamentarischen Raum in Deutschland. Der eingetragene Verein setzt sich für erneuerbare und nicht-erneuerbare Energien sowie rationelle und sparsame Energieverwendung ein. Ziel ist die Förderung einer sicheren, preis- günstigen, ressourcen- und umweltschonenden Energieversorgung. Dem Verein gehören ca. 230 Mitglieder aus der Industrie, der Energiewirtschaft, Verbänden, Forschungs- und Dienstleistungseinrichtungen sowie Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung an. Kontakt: Forum für Zukunftsenergien e.V. Reinhardtstr. 3 10117 Berlin Tel.: 030 / 72 61 59 98 - 0 Fax: 030 / 72 61 59 98 - 9 www.zukunftsenergien.de Twitter @FfZeV LinkedIn @FfZeV

RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NDYw