Bauzentrum_2022_05

BAUZENTRUM E-BAU 5 | 2022 20 E-BAU Wiederbelebung des Ortszentrums Neubau eines lichtdurchfluteten, einladenden Gemeindezentrums Stark sanierungsbedürftig, keine barrierefreien Zugänge, zu kleine Räumlichkeiten und für eine Erweiterung ungeeignet: Im niederösterreichischen Dorf Großweikersdorf wurde ein neues zeitgemäßes Gemeindeamt benötigt. Erklärtes Ziel war es, nicht nur ein modernes, funktionales und zugleich ansehnliches Gemeindezentrum zu errichten, sondern damit auch die mittlerweile wenig frequentierte Ortsmitte am Hauptplatz wiederzubeleben. Mit Erfolg: Am Standort der ehemaligen Fleischerei, die komplett abgerissen wurde, entstand ein sehenswerter, lichtdurchfluteter Neubau mit auffälliger Trag- und Dachkon- struktion aus Holz, der über Behördengänge hinaus zum Verweilen einlädt. Die Entstehungsgeschichte des neuen Gemein- dezentrums in Großweikersdorf ist eng an eine wohlüberlegte Entscheidung des Bürgermeis- ters geknüpft: Anstatt ein Grundstück für den Neubau am Ortsrand auszuweisen, entschied sich Alois Zetsch bewusst für den Standort am Hauptplatz – früher eine zentrale Anlaufstelle für die Einwohnerinnen und Einwohner der Marktgemeinde im Bezirk Tulln in Niederös- terreich. Die Ortsmitte ist in den vergangenen Jahren jedoch immer weniger besucht worden − was auch darauf zurückzuführen ist, dass der Hauptplatz schlicht an Attraktivität verloren hatte, da Geschäfte und Dienstleister immer mehr Richtung Ortsrand abgewandert sind. Abkehr vom geschlossenen Platz An der Ausschreibung für einen Entwurf des Neubaus nahmen vier Architektenbü- ros teil. Das neue Gebäude sollte neben der Gemeindeverwaltung zudem Raum für ein Vereinshaus und eine Arztpraxis bieten. Au- ßerdem war die Aufgabe, eine Anbindung an einen bestehenden Gewölbekeller im Unter- grund herzustellen. Bis auf das Büro Smart- voll aus Wien, das schlussendlich den Zu- schlag bekam, setzen die Architekten auf eine traufständige geschlossene Bauweise, die der Baulinie des Platzes folgte. Für Christian Kircher und Philipp Buxbaum von Smartvoll war das keine Option in An- betracht der jüngeren Entwicklung österrei- chischer Dörfer. Laut Kircher seien seit den 1980er-Jahren viele Ortszentren immer weni- ger frequentiert worden, da sich das Leben in Häuser mit Gärten an der Peripherie und in große Einkaufszentren verlagerte. Er nennt es den „Donut-Effekt” – eine leere Mitte, um- geben von überdimensionierten Rändern. Also genau das, was auf Großweikersdorf zutrifft. Eingang des Gemeindezentrums als Willkommensgeste Das nach den Entwürfen von Smartvoll nun neu erbaute Gemeindezentrum steht senkrecht zum Platz, mit zwei Gassen auf beiden Seiten des Gebäudes, die an schma- le Wege zwischen den Weinbergen auf den Hügeln rund um das Dorf erinnern. Ein gepflastertes Rechteck reicht vom Eingang des Gebäudes bis auf den Hauptplatz des Dorfes. Es erinnert an einen ausgeroll- ten Teppich, der die Passanten ins Innere des neuen Gemeindezentrums und in die Gassen einlädt, die zu einer Parallelstraße führen. Diese Durchlässigkeit der Fassade zum Platz bildet den besagten und gewoll- ten Kontrast zu den langen, geschlossenen Häuserreihen, die die Straße östlich des Platzes säumen. „Der Eingang des Hauses ist eine Fortsetzung des Hauptplatzes – diese ein- ladende Geste verbindet Innen und Außen,” sagt Kircher. Die Marktgemeinde Großweikersdorf im Bezirk Tulln in Niederösterreich freut sich über ihr neues, offen gestaltetes Gemeindezentrum. Fotos: Velux / Smartvoll / Jörg Seller

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