Bauzentrum_2022_05

BAUZENTRUM E-BAU 5 | 2022 24 E-BAU Lebenswerte Gebäude der Zukunft schaffen Klimaschutz, stark steigende Energiepreise und der aktuelle Zeitgeist verlangen, dass wir bei der Planung und Errichtung von Gebäuden umdenken. Speziell auch Energiefresser wie raumklimatische Anlagen können teilweise durch alternative Systeme kompensiert werden. Wie lebenswerte Gebäude der Zukunft aussehen und Nutzer und Auftraggeber von neuen Systemen überzeugt werden können, erklären Sören Eilers, Objektberater bei GEZE, und Marco Sperling, Diplom-Ingenieur Architektur bei PPP Architekten aus Lübeck. Was ist eigentlich ein „lebenswertes Gebäu- de“? Früher waren Häuser einfache Gebäude, in denen Menschen vor allem geschlafen und gegessen haben. Heute muss ein Gebäude mehr können: „Wir wollen uns darin wohl- fühlen, zur Ruhe kommen, ohne Barrieren fortbewegen und am besten nachhaltig leben. Es schafft nicht nur einen Raum, sondern muss zu den Nutzern und deren Bedürfnissen passen – und zwar heute und in Zukunft. Erst dann sprechen wir von einem lebenswerten Gebäude“, erläutert Sören Eilers. Gebäude werden in der Gegenwart für die Zukunft errichtet Dabei haben sich die Anforderungen allein in den vergangenen 15 Jahren stark gewan- delt: Die Denkweise der Menschen hat sich verändert, zudem herrschen regionale Un- terschiede, wenn es um die Frage geht, was ein zeitgemäßes Gebäude ausmacht. Werden mancherorts nur noch Passivhäuser errich- tet, so liegt der Fokus andernorts beispiels- weise auf freien Lernkonzepten und offenen Räumen. Für Planer und Architekten bedeu- tet das, dass sie weit vorausdenken müssen. „Gebäude werden in der Gegenwart für die Zukunft gebaut, für die nächsten 30 bis 50 Jahre Nutzungszeit“, erklärt Marco Sperling. „Wir müssen in unserer heutigen Planung also bereits die Nutzungsmöglichkeiten für in ein paar Jahrzehnten bedenken. Dabei ist jedoch fast immer das Budget der limitieren- de Faktor.“ Damit nicht genug. Neben den vom Auftrag- geber gesteckten Rahmenbedingungen gibt es diverse gesetzliche Anforderungen, Normen und Verordnungen, die einzuhalten sind. Dabei sind sich die unterschiedlichen Regel- werke längst nicht immer einig. „Es gibt in Deutschland fast nichts, das nicht geregelt ist. Die Rahmenbedingungen der Auftrag- geber sind oft verhandelbar, bei gesetzlichen Vorgaben ist das weitaus schwieriger“, weiß Sperling aus Erfahrung. Damit am Ende alle Wünsche, Bedürfnisse, Anforderungen und Vorschriften unter einen Hut gebracht werden können, ist eine intensive Abstimmung mit allen Beteiligten unerlässlich: „Der Abstim- mungsbedarf wächst ständig und ist sogar in Zertifizierungsprozessen verankert. Das ist auch durchaus sinnvoll, damit es am Ende ein gutes Gebäude wird. Es gilt in jedem Fall: Je besser die Abstimmung von Beginn an, desto besser das Ergebnis!“ So werden im Idealfall alle fachbeteiligten Planer für Haustechnik, Statik, Tragwerk etc., die Verarbeiter, aber auch Nutzer und Auftraggeber sowie deren Interessensvertreter eingebunden. Welches Regelwerk zugrunde gelegt wird, ist Abstimmungssache mit dem Auftraggeber Viele Planer und Architekten merken in ihrer täglichen Arbeit, dass die Regelwerke mittler- weile so groß sind, dass keine klaren Vorga- ben mehr existieren. „Durch die Vielzahl der Normierungen wissen wir oft gar nicht mehr, was wir eigentlich tun sollen“, so Sperling. „Die Vorgaben aus den Regeln der Technik, beispielsweise hinsichtlich der Belüftung von Gebäuden, sind enorm. Die Vorgaben aus den Technischen Regeln für Arbeitsstätten 3.6 sagt zum Beispiel etwas über Raumluftqualität. Genauso die DIN EN 16798 oder VDI 6040. Alle geben jedoch unterschiedliche Zahlen und Messgrößen zum selben Thema vor. Bei der Planung müssen wir also mit unseren Auf- traggebern abstimmen, welches Regelwerk für das jeweilige Projekt zugrunde gelegt wird.“ Denn eines sei klar, so Sperling: „Es gibt nicht die eine Patentlösung für alle Anwendungen. Architektur ist immer Prototyping! Jedes Gebäude wird für den einen Ort und Zweck geplant und gebaut. Jedes hat eine andere An- forderung, die jeweils definiert, was geplant und umgesetzt wird. Zwar gehen wir immer davon aus, dass ein Gebäude seine Nutzungs- art behält. Muss es aber nicht!“ Ganz aktuell zeige die Pandemie oder auch die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste Debatte um die Nutzung von Gas, dass Zukunft immer Veränderungen mit sich bringe. „Gute, le- benswerte Gebäude müssen das kompensie- ren und sich anpassen können.“ Lebenswerte Gebäude brauchen Einflussmöglichkeiten der Nutzer Bei aller Regelkonformität sollten Planer jedoch auch immer den Faktor Mensch im Blick behalten. Denn Feldstudien haben ge- zeigt, dass das Wohlempfinden von Nutzern Steigende Energiepreise, Anspruch an Klimaschutz, aber auch der aktuelle Zeitgeist verlangen ein Umdenken beim Planen von Gebäuden und deren Einrichtungen. Foto: Jürgen Pollak /GEZE GmbH

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