Bauzentrum_2023_02

BAUZENTRUM E-BAU 2 | 2023 Fassaden 29 träger an der Kernhalle befestigt sind. So konnten die gekrümmten Flächen zu allen Seiten durch das gleiche Konstruktions- prinzip ausgebildet werden, obwohl sich Radien und Winkel verändern. Die Ent- wässerung der gebogenen Fassade verläuft verdeckt entlang der unteren Außenkante. Zur Homogenität der großen Fassadenflä- che tragen die Rauten in Silbermetallic we- sentlich bei. Ihre Oberfläche reflektiert den Himmel und das wechselnde Tageslicht, was das Gebäude immer unterschiedlich erscheinen lässt. Ein einfacher Trick mit großem Effekt. Innen hellgrau? Neben dem Boden, der durchgehend hellgrau ist, überzeichnen die mo- nochrom in Silber und Hellgrau gehalte- nen Innenräume und Möbel die Alumi- niumfarbe der Außenhaut. Das Gebäude wirkt dadurch noch stärker im Kontrast zu seiner belebten Umgebung und bietet, laut Bohuon und Poupart, eine farblich neutrale Bühne für den Sport. Man wol- le sich mit der Architektur nicht über den Sport stellen, sondern ihn möglich ma- chen und interessant erscheinen lassen. Die großflächige Verglasung mit Alumini- umrahmen verstärkt diese kühl-elegante Erscheinung. Nach anderen Formen suchen Aufgrund der Materialien könnte man Bohuon Bertic Architectes zu den fran- zösischen Neorealisten zählen, die seit Jahren europaweit auf sich aufmerksam machen. Ihre Gebäudeformen sind aber glücklicherweise verspielter und nehmen dem Realismus damit seine Härte. „Wir suchen immer nach anderen Formen für gleiche Typologien und Programme!“, erklären die Architekten. Das Geheimnis hinter den charakterstarken Gebäuden läge hauptsächlich in der Haltung und Intensität, mit der sie Projekte bearbeiten. „Viel Arbeit, viel Vorausdenken! Wir ver- stehen Architektur als Handwerk, das täg- lich trainiert und entwickelt werden kann. Dabei geht es uns um das Bauen an sich. Wir würden zum Beispiel keine Entwürfe bei Wettbewerben abgeben, wenn wir nicht hundertprozentig wüssten, wie und mit welchen Materialien diese umgesetzt wer- den können.“ „Dabei“, ergänzt Bohuon, „stehen wir zu unseren Ideen. Immer. Und bringen die Realisierung zu Ende. Das wer- den wir hoffentlich noch mindestens 15 Jahre weiter machen dürfen.“ So dynamisch wie ein Stückchen Stretch Ist es ein Dach oder sind es Fassaden? Eine fein geschwungene Fläche umhüllt die städtische Sporthalle in Basse-Goulaine in der Peripherie von Nantes im Westen Frankreichs. Sie changiert im Tageslicht und unzählige kleine Rauten bedecken die aufstrebende Form. Einen Hut, eine Haut, ein Dach, eine kontinuierliche um- fassende Fassade scheint das Gebäude zu haben. Mit über hunderttausend Rauten wirkt die Hülle nicht nur dynamisch wie ein Stückchen Stretch, sie war auch genau die richtige Arbeit für den Spengler Oli- vier Collet und sein Team. „Als Dachdecker ist diese Sporthalle ein großartiges Projekt mit planerischen wie handwerklichen Herausforderungen.“ Oli- vier Collet pausiert kurz bevor er weiter er- klärt, dass nicht der konkave Schwung des Daches technisch spannend gewesen ist, sondern die fünf abgerundeten Ecken, die sich konisch nach oben leicht verjüngen. Collet arbeitet für die Firma ENGIE Axima. Mit einem Team von sechs Dachdeckern verantwortete er die Umsetzung der naht- los erscheinenden Hülle der Sporthalle, die mehr und mehr Aufmerksamkeit von Architekturinteressierten und Nachbarn erhält. In einer Zeit von sechs Monaten haben sie Raute für Raute geplant und montiert und an den Stellen, wo notwen- dig, Sonderformate eingesetzt. Die konka- ve Biegung haben sie mit Standardrauten hergestellt. „Das ist eine der Stärken der Rauten von PREFA, die Flexibilität“, so Collet. Zu Beginn haben er und die Ar- chitekten von Bohuon Bertic Architectes die Fassade durch 3D-Programme, Proto- typen und Modelle durchgeplant. Auf der Baustelle fügte sich letztlich durch das Können seiner Mitarbeiter aber Raute ne- ben Raute per Hand am besten. Das Ergebnis ist eine durchgehende und lückenlose Oberfläche, die auf einer Scha- lung aus vorgebogenen Holzlatten auf- liegt – verarbeitet ähnlich wie bei einem hölzernen Schiffsrumpf. In Kombination geben Unterkonstruktion und Metall- oberfläche der ursprünglich rechtecki- gen Sporthalle die mehrfach gekrümmte Form. Ein paar Details machen den Un- terschied, ob und wie stark diese Idee ei- ner weichen Haut optisch überzeugt. So sind die Rauten über die Kanten des Ge- bäudes, die dem menschlichen Auge am nächsten sind, hinweg montiert, während der Dachabschluss in über neun Metern Höhe mit einem scharfen Profilstück aus- gebildet wurde, um eine Art Anfang der Fließrichtung der Rauten zu markieren. Die Verlegeart sei identisch mit einer alten Schiefertechnik gewesen, die er aus seinen Ausbildungsjahren bei den Les Compag- nons du Devoir kennt, ergänzt Collet. Er habe 1990 mit der Ausbildung zum Dach- decker begonnen, sei dann 1992 zu den Les Compagnons gegangen – la famille – und sei heute noch aktiv bei den Compagnons. „Der Wissenstransfer von Generation zu Generation ist enorm wichtig im Hand- werk, und wenn dann Theorie und Praxis zusammen gelehrt und gelernt werden und man von anderen Disziplinen lernt, entsteht die Kraft, Veränderungen und Weiterentwicklungen umzusetzen.“ Collet ist mittendrin in diesen Prozessen, die er gerne mit antreibt. www.prefa.de

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