Bauzentrum_2022_04

BAUZENTRUM E-BAU 4 | 2022 6 Titel Auf Ziegeln flanieren, wo Mönche einst die Saat einbrachten Mit einer Fläche von rund zwei Quadratkilometern und einer Reihe beeindruckender Bauten, zählt das Kloster Doberan zu den bedeutendsten Beispielen mittelalterlicher Backsteinkultur an der Ostsee. Für die Rostocker Landschaftsarchitekten Sabine und Andreas Webersinke war es da nur folgerichtig, Ziegel als Baumaterial auch bei der Neugestaltung der Außenanlagen rund um das Doberaner Münster einzusetzen. Gäste aus aller Welt flanieren nun auf Pflaster- klinkern von Vandersanden durch die klöster- lichen Gärten. Einen geeigneten Bauplatz für das neue Klos- ter des Zisterzienserordens zu finden, gestaltete sich anno 1186 der Legende nach recht prag- matisch. Fürst Heinrich Borwin I. von Meck- lenburg ließ ganz einfach verkünden: Wo ich auf der nächsten Jagd den ersten Hirsch erle- ge, möge das Kloster gegründet werden. Die Entscheidung fiel ausgerechnet in sumpfigem Gelände. Doch ein vorbeifliegender Schwan rief der Jagdgesellschaft die Worte „dobr, dobr“ zu – und im Slawischen bedeutet das „ein gu- ter Platz“. Während der folgenden Jahre und Jahrzehnte ließen die Mönche sodann Aber- millionen von Backsteinen heranschaffen, um damit nach und nach eine der bedeutendsten mittelalterlichen Klosteranlagen im nördli- chen Europa zu erschaffen. Viel später wurde dem Schwan dann im südlichen Klostergarten ein Denkmal gesetzt. Neue Wege auf alten Pfaden Als Kloster im Zuge der Reformation 1522 aufgegeben, sind viele der ursprünglichen Gebäude bis heute erhalten geblieben. „Im Zentrum steht natürlich nach wie vor das Doberaner Münster“, erklärt Landschafts- architekt Andreas Webersinke, „die übrigen über das Gelände verstreuten Bauten führten aber lange Zeit eine Art Dornröschenschlaf und wurden erst während der vergangenen beiden Jahrzehnte nach und nach wieder zu neuem Leben erweckt.“ Das Büro Webersinke kam ins Spiel, als die Sanierung der Gebäude bereits weit fortgeschritten war. „Das Ziel aller Anstrengungen bestand ja darin, die Anlage als Ganzes wieder erlebbar zu machen“, sagt Sabi- ne Webersinke, „mangels fortlaufender Pflege des Außengeländes waren die ursprünglichen Wegebeziehungen zwischen den einzelnen Bauwerken aber teils gar nicht mehr richtig er- kennbar, ein beschaulicher Rundgang über das Gelände war kaum noch möglich.“ Im Auftrag der Stadt Bad Doberan und finanziert aus viel- fältigen öffentlichen Mitteln, erarbeitete das Büro daher eine umfassende Neugestaltung der Freiflächen, die zugleich aber auch den ur- sprünglichen baulichen Charakter der Kloster- anlage berücksichtigen sollte. Wechselspiel von Ziegel und Naturstein Obschon die klösterlichen Wege dereinst – wenn überhaupt – eher mit Naturstein be- festigt waren, entschieden sich die Rostocker Landschaftsarchitekten bei der Neugestaltung zusätzlich für den Einsatz von Pflasterklin- kern. „Authentizität ist gerade bei einer histo- risch so bedeutsamen Anlage wie dem Kloster Doberan natürlich wichtig“, stellt Andreas We- bersinke fest, „aber wenn in der Hauptsaison jeden Tag viele tausend Menschen hier unter- wegs sind, müssen wir natürlich Aspekte wie die dauerhafte Belastbarkeit des Bodenbelags, ein angenehmes Laufgefühl und nicht zuletzt das Thema Barrierefreiheit berücksichtigen.“ Und Sabine Webersinke ergänzt: „Indem wir Pflasterklinker verwenden, erhalten wir über die kräftig-dunkelrote Farbe des Materials Einst als Speicher für Getreide und Nahrungsmittel erbaut, beeindruckt das Kornhaus auf dem Klostergelände heute mit einem Wechselspiel der Farben auf der mehr als 700 Jahre alten Ziegelfassade. Obschon die Wege im Doberaner Klostergarten ur- sprünglich nicht mit Pflasterklinkern befestigt waren, fügt sich das Material in Kombination mit Naturstein perfekt in die Umgebung ein. gleichzeitig eine deutliche Sichtbarkeit der Wegebeziehungen untereinander.“ Davon ab- gesehen, ist und bleibt Backstein das domi- nante Baumaterial auf dem Gelände: Allein die rund 1,4 Kilometer lange Klostermauer setzt sich bei einer Höhe von 2,5 Metern aus mehr als 1,2 Millionen Ziegeln zusammen. „Mit

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